Prof. Dr. Chris Gerbing, Laudatio „Groß Denken“
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Lucile Schwörer-Merz, 2021

 

 

"neunerlei Holz"

 

im Rahmen der Ausstellung nebulös - indirekte Halluzinationen

 

GEDOK Karlsruhe

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto von Anna Maria Letsch

nebulös – indirekte halluzinationen

 

Seit vielen Jahren ist es die Motivation von Lucile Schwörer-Merz Räume zu verändern und die Wahrnehmung beim Betrachter zu irritieren.

So auch bei der Ausstellung nebulös – indirekte Halluzinationen, deren Konzept gemeinsam mit Cosima Klischat entstanden ist. Mit Ausbruch der Pandemie kam es zu einer neuen Wirklichkeit: Sozial Distancing, Home Office und Home Schooling, Desinfektion, Inzidenz, Mutanten. Diese Begriffe beherrschen seit nunmehr einem Jahr unsere Wahrnehmung, unser Leben und Erleben. Als Ersatz für Reisen, für das Nachtleben, für Treffen mit Freunden wandern nun Menschenmassen durch Wälder und über Hügel und Wiesen und machen die erstaunliche Erfahrung: so schön war die Natur noch nie.

 

Mit ihrem künstlerischen Werk bringt Lucile Schwörer-Merz ungewöhnlich kombinierte Objekte an fremde, andere Orte. In ihrer vorliegenden raumgreifenden Rauminstallation „neunerlei Holz“ sind es die Bäume die aus dem Boden der Galerie zu wachsen scheinen, der sich durch einen Ventilator bewegende Vorhang. Kombiniert mit Videoprojektionen von Cosima Klischat.

Auf dem Vorhang zeigt ein in Schleife abgespieltes Video Möwen und die Wellen des rauschenden Meers. Die Wellenbewegungen des Vorhangs nehmen den Fluss der zunächst rein visuellen Meeresprojektion auf und verstärken diese in der gemeinsamen Bewegung. Videoprojektionen an den Wänden erinnern an mikroskopische Aufnahmen pflanzlicher oder menschlicher Zellen. (Bei der folgenden Interpretation der Videos als Zellstrukturen handelt es sich nicht um die künstlerische Intention von Cosima Klischat, sondern um eine zusammenfügende Auslegung durch die Künstlerin Lucile Schwörer-Merz). Es eröffnet sich hier, so Schwörer-Merz, ein Blick in die Welt des winzig Kleinen. In den Mikrokosmos - im Gegensatz zum Makrokosmos, der Welt des riesig Großen. Zwischen beiden befindet sich der Mesokosmos - der vom Menschen direkt wahrnehmbare Bereich. Der Mesokosmos, im vorliegenden Fall ist es die Galerie, die Umgebung, insbesondere der in die Galerie versetzte Wald, gibt also den Bereich vor, von welchem aus wir unseren Makrokosmos und unseren Mikrokosmos beschreiben können. Die Vorstellung davon wie weit wir in den Mikrokosmos eindringen können und wie klein die Welt ist, die wir finden können (das gleiche gilt auch umgekehrt für den Makrokosmos) kann sich nur im enigmatisch nebulösen verlieren.

 

Im Ausstellungsraum befinden sich neun Bäume. Die kosmische Zahl 9 taucht in unterschiedlichen mythologischen Zusammenhängen sowie philosophischen Strömungen auf. Die 9 gilt als Zahl der Vollkommenheit. Sie enthält die, in vielen Kulturen als göttlich angesehene, Zahl Drei dreimal. Bei den Kelten steckte in der 9 das ganze Universum. Die 9 enthält die 5 - welche Zeit und Raum erfasste - und die 4 - als Zahl der Himmelsrichtungen. Außerdem wurde bei den Kelten die Zahl 9 den Vegetationskräften zugeordnet. Ursprünglich wurde in der Kräuteranwendung immer mit der Zahl 9 gearbeitet. Die Anwendung von 9 Kräutern, 9 Hölzern wurde als äußerst wirkungsvoll angesehen. Bereits die Kelten haben sich bemüht, natürliche Heilkräfte in Pflanzen zu entdecken und als Mittel gegen ihre Leiden zu verwenden. Nicht nur körperliche Krankheiten bedrohten unsere Vorfahren, sondern auch die Angst vor dem Unerklärlichen, vor Naturkatastrophen, Unglück, Fluch, Dämonen, Hexen und bösen Geistern. Heilung, Schutz sowie Erfüllung von Sehnsüchten versprachen Zauberpflanzen. Zu diesen Pflanzen, die oft in Hexensalben o.ä. verarbeitet wurden, gehörten zumeist halluzinogene Nachtschattengewächse wie zum Beispiel Tollkirsche, Stechapfel und Engelstrompete.

 

Es fallen Schatten der Bäume auf den Boden, auf die Wände, vermischen sich mit den Projektionen auf und hinter dem Vorhang. Als Schattentheater, führen sie mit ihrem zeichnerischen Charakter zu mehrfachen Verfremdungen die beim Betrachter ein produktives und kreatives – nebulöses - Sehen provozieren.

 

 

Lucile Schwörer-Merz                                                                             Februar 21

Fotos von Anna Maria Letsch

In der Vollmondnacht zum 28.02.2021 erfährt die Installation

„neunerlei Holz“ von Lucile Schwörer-Merz, im Galerieraum der GEDOK – Karlsruhe, Markgrafenstraße 14, eine überraschende Verwandlung.

 

 

Was übrig bleibt, wenn sich der Nebel lichtet kann am 28.02.2021 bis 20:00 Uhr betrachtet werden.

 

 

 

 

eine Schlange kam gekrochen,

zerriss einen Menschen;

da nahm das Göttliche Ruhmeszweige,

erschlug da die Natter,

dass sie in 9 Stücke zerbarst.

Nun haben diese 9 Hölzer Macht

gegen 9 böse Geister,

gegen 9 Gifte,

gegen 9 Krankheiten…

 

 

Lucile Schwörer-Merz                                                     27. Februar 2021

 

 

 

 Lucile Schwörer-Merz, 2021

 

   

 "neunerlei Holz - der Nebel lichtet sich"